So funktioniert das Schulden-monopoly
Bilanztricksereien statt Zukunftskonzept: wie thyssenkrupp seine Milliarden-Verpflichtungen in das neue Unternehmen kippen will
Gehen thyssenkrupp und Tata zusammen, dann wird das kein leichtes Spiel. Sondern eher verzweifeltes Zocken. Beide Konzerne schleppen schwere Lastenmit sich. thyssenkrupp ist über beide Ohren verschuldet– Folge der unverantwortlichen Abenteuerin Brasilien und in Alabama. Tata beschäftigt rund15.000 Stahlarbeiter in Großbritannien und trägt hohe Pensionsverpflichtungen. Beide kämpfen sie auf dem Stahlmarkt mit weltweiten Überkapazitäten, insbesondere mit denen aus China. Beide wissen sie, dass es so nicht weitergehen kann.
Aus Sicht von thyssenkrupp hätte eine Fusion mit Tata einen besonderen Reiz. thyssenkrupp könnte elegant einen Teil seiner Milliardenschulden in der neuen Stahlgesellschaft entsorgen. Das ginge so: thyssenkrupp ist größer als Tata Steel Europe, das Verhältnis ist ungefähr 60:40. Deshalb bringt thyssenkrupp als Ausgleich geschätzte vier Milliarden Euro Schuldenmit in die Ehe ein. Auf diese Weise würde auf dem Papier ein Verhältnis von 50:50 geschaffen – eine Heirat unter Gleichen.
Die Schulden-Mitgift hätte beträchtliche Schattenseiten,vor allem für die Beschäftigten. Denn das neue Unternehmen würde mit einer schweren Hypothek starten. Und darüber, ob der neue Stahlkonzern zukunftsfähig ist, sagen die Fusions-Rechenspiele überhaupt nichts aus. Markus Grolms formuliert es so: „Das ist gefährliche Bilanzakrobatik. So geht das nicht.“
Während thyssenkrupp von der wundersamen Schuldenverringerung träumt, lauert ein aktivistischer Investor auf seine Chance. Die schwedische Investorengesellschaft Cevian Capital spekuliert auf die Zerschlagung des Unternehmens. Schritt für Schritt hat Cevian seine Anteile an thyssenkrupp erhöht. Die Schuldenlast des Konzerns hat hier für den Wegbereitet: Weil thyssenkrupp Geld brauchte, wurden mehrere Kapitalaufstockungen nötig – Cevian hat mitgemacht und dadurch seine Anteile erhöht. Mittlerweile besitzt der Großaktionär rund 18 Prozent von thyssenkrupp.
Die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung hingegen hat Anteile verloren – und damit auch enormen Einfluss. Sie hatte mal 25 Prozent für die sogenannte Sperrminorität. Jetzt kommt sie nur noch auf knapp 21 Prozent – und schweigt. Welch ein Trauerspiel.

Der Schuldentrick
Der Plan: Zwei Ungleiche gehen zusammen, um am Ende halbe-halbe zu machen. Weil thyssenkrupp größer ist als Tata, darf das deutsche Unternehmen mehr Schuldenmilliarden in dem Joint Venture entsorgen.
Die Mitspieler – Wer hat welche Interessen?

© thyssenkrupp / Newsroom
Der gute Mensch von Essen – Heinrich Hiesinger
Kein Zweifel, Heinrich Hiesinger ist ein integrer Mann. Sein Krisenmanagement hat durchaus Gutes für den Konzern und die Beschäftigten bewirkt. Wobei längst nicht alles zu Gold wurde, was Hiesinger anpackte, es sei da an das eine oder andere Konzernprogramm erinnert. Wir haben jedenfalls erhebliche Zweifel, dass der Deal mit Tata zu wuppen ist. Ganz egal, wie gut Hiesingers Absichten sein mögen.

© picture alliance / TT NEWS AGENCY
Die Zerschlager – Cevian Capital
Spielt aggressiv. Die Investorengesellschaft von Gründer Christer Gardell (Foto) ist darauf spezialisiert, Unternehmen zu zerschlagen. Die Logik dahinter: Vertickt man die Einzelteile, bringen sie in der Summe deutlich mehr Geld ein, als der gesamte Konzern heute wert ist – ungefähr das Doppelte. Cevian nennt sich „aktivistischer Investor“. Heuschrecke würde es besser treffen. Erhöht seinen Anteil an thyssenkrupp, will dafür Rendite sehen und übt massiv Druck aus.

© MWIDE NRW/R. Pfeil
Blind, taub, stumm – die Landesregierung
Düsseldorf zeigt sich ahnungslos bis desorientiert. Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (Foto) begrüßte die Fusionspläne mit Tata sogar. Sie seien eine „Chance“. Nimmt der FDP-Politiker einfach so hin, dass ein wichtiges Unternehmen in NRW künftig aus Amsterdam gesteuert wird? Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagt: „thyssenkrupp gehört nach Nordrhein-Westfalen, auch was den Firmensitz angeht.“ Herr Laschet, übernehmen Sie!

Villa Sprachlos – die Stiftung
Verhält sich still und undurchsichtig. Kein Wort dringt aus der Villa Hügel nach draußen. Die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung kommentiert die geplante Fusion nicht. Das passt so gar nicht zum Auftrag der Stiftung. Deren Zweck ist es nämlich, „die Einheit des Unternehmens Fried. Krupp dem Willen seiner Vorfahren entsprechend auch für die fernere Zukunft zu wahren.“ So steht es in der Satzung.